Übergabe des Eigenwillens

Seelenraum
Seelenraum

 

Aus Gott wird man geboren,

in Christo stirbet man,

und in dem Heilgen Geist

fängt man zu leben an.

 

Angelus Silesius

Es gab und gibt Menschen, die unvorstellbare schlimmste Qualen wie durch die Inquisition, in KZs oder ähnlich erlitten haben und nicht seelisch 'gebrochen' werden konnten.

Wie haben sie das geschafft? Was ging in ihnen vor?

Viele Menschen, die in lebensbedrohenden Situationen waren, sind einen unüblichen Weg gegangen, haben sich neue Lebensfragen gestellt und ihren Blick über den 'Tellerrand' ihres Erdenlebens hinaus erhoben. Wundersame Heilungen zeugen davon.

 

Schmerzen rufen als erstes Ängste ins Bewusstsein. Jede Aufmerksamkeit lenkt den Energiefluss. Ängste lähmen! Erst wenn die angeschaut und überwunden werden, ist ihre Wirkung besiegt. Danach ist an andere vergebene Macht über sich selbst zurückzuholen und eigene Energien wieder in sich zu bündeln. Sicher wird dabei auch gelernt, sich von fremd besetzten Mächten zu befreien. Das wäre der zweite mächtige Sieg. Dann sind dem Ego dienende Bindungen, die sich viel in Gewohnheiten verstecken, aufzulösen. Dadurch wird die Seele gereinigt. Das ist der dritte Sieg. Als letztes steht die größte Herausforderung bevor, sich so zu erstarken, dass das Wissen um das körperliche Sterben nicht mehr das Leben einschränken kann. Damit schwindet die Beherrschung durch erdgebundene Schrecken.

Wer sich vorbehaltlos dem göttlichen Willen anvertraut, hat den größten Kampf gegen Angst vor Kontrollverlust gewonnen. Er wird sich mehr und mehr bewusst, dass Erdenleben und -sterben nur in der materiellen Welt real sind. Für die unsterbliche Geist-Seele bedeuten sie nur Illusion.

Wie ein Phönix aus der Asche erhebt sich mit Kraft der individuell gereinigte Teil der Seele. Mehr Mut und Vertrauen zu ihrem unsterblichen Sein hat sie erfahren. Auf Erden gibt es dann nichts mehr zu verlieren, sondern eine neue intensivere Lebensqualität zu gewinnen.

Allen diesen Siegen geht ein inneres Ringen voraus und jeder Schritt kann nur mit entschiedenem Willen getan werden.

 

Wille ist eine bewegende Seelenkraft, die in die Zukunft gerichtet ist. Sie drängt zu verwirklichen, zu realisieren, zu schaffen.

Der eigene Wille ist die Kraft, die zu Ich-Entscheidungen führt. Er bestimmt die Ausrichtung in jeder Lebenssituation. Wer sich einem fremden Willen beugt, gibt Macht über sich selbst ab. Ein guter Wille zielt auf das Wohl aller ab, böser Wille folgt ausschließlich egoistischen Absichten.

Wenn Kinder auf die Welt kommen, wirkt ein ursprünglicher ES-Wille in ihnen, der auf dem gesamten Entwicklungsweg der unsterblichen Seele fußt und als Impuls für die jeweilige Inkarnation den nächsten Schulungsschritt trägt. Der wird im Kind naturgemäß ab der Vorpubertät, aber heute vielfach schon im Kindergartenalter überlagert vom Ego-Willen, der den Selbsterhaltungstrieb während des Erdenlebens fördert. (Anthroposophische Pädagogik pflegt diesen Es-Willen.)

Im Erwachsenen fügen sich die Zukunftskräfte zum Eigenwillen zusammen. Ihre Auseinandersetzungen prägen den inneren Dialog und bewirken die Lebensherausforderungen

Die gesamte Schöpfung wird permanent durch göttlichen Willen manifestiert und drückt sich auf allen Ebenen und in allen Dimensionen durch universelle Gesetze und Prinzipien aus.

(s. Das Kybalion in Der stille Wandel, S. 240 ff)

 

Wille äußert sich unmittelbar durch Taten, über Körpersprache  und unbedachte Worte. Die offenbaren oft direkter die eigentlichen Absichten. Bei innerer Aufmerksamkeit ist Willenskraft vorab spürbar, kann in Gedanken gefasst, geordnet, in ihren Zusammenhängen verstanden und durch Worte bewusster ausgedrückt werden. Worte formen sich im Kehlkopf.

Hier befindet sich ein Hauptchakra, das Hals- oder Kehlkopf-Chakra.

Hier strömen Informationen über Dinge ein, die mit persönlicher Macht, individuellem Willen und kreativem Ausdruck im Zusammenhang stehen. Aspekte des Selbst, die zurückgehalten oder unterdrückt werden, verdichten sich und - unaufgelöst - erstarren sie in körperliche Formen.

Im Kehlkopf-Chakra treffen sich die Impulse des göttlichen Willens, des Eigenwillens und auch des egoistischen Willens. Hier findet wirkliche Entscheidungsfreiheit statt. Hier drängt das Gewissen Rechenschaft über eigene Absichten abzulegen. Hier erwacht individualisiertes Bewusstsein, das ein unantastbares Gefühl von menschlicher Würde und Integrität bewirkt.

 

Im christlichen Neuen Testament ist dieser Weg der Übergabe des Eigenwillens an den göttlichen Willen offenbart:

Als geistig wacher Mensch 'sah' Jesus mehrfach seinen zukünftigen Lebensweg voraus, wusste von der bevorstehenden Verleugnung, Verhöhnung, Verspottung, Folterung, Verurteilung, den zu ertragenen Qualen und dem Tod am Kreuz. Stets blieb ihm eine freie Wahl. Seine reine Seele kannte aber auch seine Mission für die Entwicklung der Menschheit, durch seine Auferstehung die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen.

Allein gelassen focht er in der Nacht vor Karfreitag seinen letzten Kampf mit dem Sterben aus. Dann übergab er seinen menschlichen Eigenwillen dem Willen Gottes - nach dem Wassermann- Evangelium, 163, 49 - mit dem Worten: „ Allein – Dein Wille soll geschehen, nicht der meine“. Damit verband er sich der All-Macht und gewann die Kraft, das Nachfolgende bei vollem Bewusstsein zu tragen. Seine Wandlung offenbart seine unerschütterliche Nächstenliebe, denn er vergab seinen Peinigern.

 

Wir geben alltäglich Eigenwille ab und auf. Wir lassen andere, unsere Partner, Menschen unserer Umgebung und unseres sozialen Netzwerkes für uns entscheiden und handeln. Damit geben wir auch Macht über uns selbst und Unabhängigkeit ab.

Derzeit verlieren wir zunehmend Vertrauen und Glauben an abgegebene Versicherungen und sozialer Verlässlichkeit. Das fordert uns heraus, unseren Eigenwillen nicht abzugeben, sondern nur zu verleihen, nur punktuell zu übergeben, was uns nicht aus der Zuständigkeit und Verantwortung entlässt.

 

Jeder Mensch entscheidet immer frei, in welche Richtung er seine Willenskraft lenkt und wie er sie verwirklicht. Den Eigenwillen vorbehaltlos an Gotteswillen zu knüpfen, öffnet das Halschakra für geistiges Licht. Das leuchtet in die Seele und hilft Angst, Begrenzung, Gefühle des Unwerts und des Mangels zu erkennen, vorgefundene Barrieren aufzulösen und so den inneren Seelenraum zu reinigen, zu klären und zu vergrößern.

 

Jeder Mensch hat seine 0-Punkte, an denen er bereit ist, materielle Bindungen zugunsten spiritueller Erfahrungen aufzugeben. Die letzten Schritte vor dem 0-Punkt der Übergabe sind emotional die schwierigsten, denn wohl jeder greift nach jedem 'Strohhalm' von äußerer Hilfe oder inneren Notlügen. Die eigenständige Entwicklung ist aber letztendlich unausweichlich, da noch nie ein 'Strohhalm' jemanden aus einem Sumpf zu ziehen vermochte. Entlastung bringt ein beständiges Streben nach innerer Gelassenheit, die den Abstand aus der emotionalen Betroffenheit schafft und mit der sich das eigene Leben wie ein anderes wahrnehmen und steuern lässt. Schwierigen Lebenssituationen als Herausforderung anzunehmen und positiv zu wenden, bereichert den Fundus an Erfahrungen und dient der Erkraftung der Seele, bis sie reif genug ist, ihren Eigenwillen vertrauensvoll an die göttliche Vorsehung übergeben zu können.

 

Alles Eigensein muss im Laufe der Seelenentwicklung durch ähnliche seelische Stirb- und Werdeprozesse umgewandelt , geistig durchdrungen und erfüllt werden. Künstlerisches Tun übt das. Wer den 0-Punkt einmal durchlebt und sich dem göttlichen Willen gefügt hat, braucht Leidenswege nur solange zu gehen, bis er lernt, sie abzukürzen. Er weiß zeitig in sich das Vertrauen in seine göttliche Führung aufzurufen, die seinen geplanten zukünftigen Weg  kennt. Er beginnt zu ahnen und dann zu glauben, dass alle Ereignisse einen übergeordneten Sinnzusammenhang haben. Aus dieser Sicht lernt er zu verstehen, dass 'Gott keine Fehler macht'. Es liegt an ihm, die wirklichen Wahrheiten zu erkennen. So arbeitet er an einer Bewusstseinserweiterung und findet sich lebensvoll bereichert.

Im geistigen Licht erwartet die Seele wohlwollende Fürsorge, ist uneingeschränkt angenommen, wertgeschätzt und geliebt in ihrem ICH BIN. (s. Der stille Wandel, S. 231)

 

Den göttliche Willen allgemein und individuell kennt das eigene Höhere Selbst, das im Geistigen direkt verbunden ist. Wenn es gebeten wird, ist es stets bereit die Lebensführung zu impulsieren, zu inspirieren. Es lenkt die Lebenswege, um Kraft und spirituelle Reife für die eigenständige Bewältigung der Lebensaufgaben zu erlangen.

 

maria goras

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0